Biofeedback: Yoga des Westens von Dagny Kerner und Imre Kerner
mit freundlicher Genehmigung von Dagny und Imre Kerner
Teil 1
Leroy Parker, 25 Jahre alt, Strafgefangener im Ellsworth-Gefängnis des US-Bundesstaats Kansas,
hat eine typische Ghetto-Kid-Karriere hinter sich: aufgewachsen mit vier Geschwistern bei seiner
alleinerziehenden schwarzen Mutter, erster Kontakt mit Drogen, als er 11 Jahre alt war, Straßendealer
mit 12, Erfahrungen mit Marihuana, Heroin, Crack, diversen synthetischen Drogen, zusätzlich
Alkoholmißbrauch - ganz genau weiß er es selbst nicht mehr, wie die Reihenfolge war. Mit 18 wurde
es das erste Mal beim Autodiebstahl erwischt und verurteilt, ab dann pendelte er zwischen den
Gefängnis und einer "Freiheit" hin und her, die für ihn aus Drogen, Schlägereien, Raubüberfällen
und Diebstahl bestand. Leroy Parker wird voraussichtlich in wenigen Wochen auf Bewährung aus dem
Gefängnis entlassen werden.
Er sitzt in einem überdimensionalen, weich gepolsterten Sessel und ist "verkabelt", an Apparate
angeschlossen, die das Muster seiner Gehirnwellen eine Sitzung von 45 Minuten lang aufzeichnen.
Es ist der zehnte Tag seines Gehirnwellentrainings. Er hat gelernt, sich zu entspannen, und versucht,
mit Hilfe von Meditationsübungen in tiefere Bewußtseinszustände hineinzugelangen, um neue Erfahrungen mit
sich selbst zu machen.
Leroy Parker ist einer von 100 durch das Zufallsprinzip ausgewählten Ellsworth-Strafgefangenen, die
als Teil des Rehabilitationsprogrammes neben konventioneller Drogentherapie und einem psychologisch
orientierten Trainingsprogramm ein siebenwöchiges Alpha/Theta-Gehirnwellentraining mitmachen.
Leise surren Apparate und Computer im "Life Sciences Institute of Mind-Body Health", das vier
ehemalige Wissenschaftler der weltberühmten Menninger-Klinik gegründet haben. Das staatlich
geförderte Strafgefangenen-Training ist einer ihrer Schwerpunkte. Dr. Patricia Norris, Dipl.-Psych.
mit langjähriger Erfahrung in der Arbeit mit Gefangenen: "Das Gehirnwellen-Training ist eine Variante
der Biofeedback-Methode, bei der es in diesem Fall gilt, den Teufelskreis von Sucht und Kriminalität
zu durchbrechen. Die Gefangenen lernen, daß sie es sind, die ihren Körper und später auch ihr Leben
kontrollieren. Wer durch Übungen gelernt hat, seine Muskeln zu entspannen, Streß zu reduzieren
und willentlich veränderte Bewußtseinszustände über die Übungen des Gehirnwellen-Trainings zu erreichen,
der hat wichtige Schritte gemacht, seine Drogenabhängigkeit in den Griff zu bekommen. Der Impuls,
wieder Drogen zu konsumieren, wird schwächer und dadurch beherrschbar, die Gefangenen können mehr
und mehr Verantwortung für sich selbst übernehmen" Die Chancen für Leroy, nicht mehr rückfällig zu
werden, beurteilt sie optimistisch.
Wie beinahe alle Suchtkranken, egal ob die Droge Alkohol oder Kokain heißt, hatte er anfangs keinen
Zugang zu seinem eigenen "Selbst", er wußte nicht einmal, daß es eine Persönlichkeit in ihm gab,
jenseits der schnellen Kicks. Eine Persönlichkeit, die Spaß haben konnte, Lebensfreude, Erfolg,
Selbstkontrolle, inneren Frieden. Sein Leben war nach einem scheinbar unkontrollierbarem und mit
Gewalt verbundenen Programm "von außen" abgelaufen: Drogen beschaffen - Drogen verkaufen - Drogen konsumieren -
Gewalt und Kriminalität.
Alkoholabhängige und Drogensüchtige haben - unabhängig davon, ob sie straffällig werden oder weiter
einem normalen Job nachgehen - gemeinsame typische Kennzeichen in ihren durch das EEG aufgezeigten
Gehirnwellenmustern, stellten die amerikanischen Gehirnforscher fest: Im Wachzustand produzieren sie
fast ausschließlich Beta-Gehirnwellen. Alpha- und Theta-Wellen, Anzeichen für tiefere Zustände des
Bewußtseins, fehlen weitgehend.
Mit den griechischen Buchstaben bezeichnen Wissenschaftler seit den Anfängen der Gehirnwellenforschung
in den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts vier verschiedene Gebiete auf ihren Diagrammen, wo die
Meßwerte in gezackten Linien dargestellt werden. Gemessen werden die Veränderungen der elektrischen Ströme
im Gehirn, die im Zusammenspiel mit den biologischen Prozessen ablaufen. Die Höhe der spitzen Zacken, in der
Fachsprache "Peaks" genannt, ist ein Maß für die Intensität der Wellen, die sich zudem in der Frequenz
(in Hertz gemessen) unterscheiden. Diese Messung, ein Kontrollinstrument für die Gehirntätigkeit, wurde
Elektroenzephalogramm, abgekürzt EEG, genannt.
Wenn das Bewußtsein hellwach und auf ein Gespräch, das Lesen eines Buches oder andere Aufgaben, wie etwa
das Einparken eines Autos, konzentriert ist, dominieren bei gesunden Menschen die Beta-Gehirnwellen
(14 bis 32 Hertz). Der Alpha-Zustand (8 bis 13 Hertz) tritt in der Regel ein, wenn wir unsere Augen
schließen und abzuschalten beginnen. Die Gehirnforscher schätzen, daß 90 Prozent der Bevölkerung Hunderte
von Malen täglich für sehr kurze Zeiten vermehrt Alpha-Rhythmen produzieren, wenn sie für ein, zwei
Sekunden die Augen schließen oder ihre Aufmerksamkeit auf ein inneres Bild richten. Oder bei einem
Tagtraum, bei dem die Augen durchaus geöffnet sein können. Wenn während eines Vortrags die Augen der
Zuhörer "starr" werden und ins Unendliche gerichtet sind, kann der Redner davon ausgehen, daß die Zuhörer
zwar seine Stimme noch wahrnehmen, aber nicht mehr mitbekommen, was gesagt wird. Sie sind im Alpha-Zustand.
Auch bei meditativen Zuständen dominieren häufig Alpha-Wellen.
Noch weiter von der Außenwelt entfernt, z. B. in einer tiefen Meditation, sind Menschen im Theta-Zustand,
wo die Wellen zwischen 4 und 7 Hertz besonders ausgeprägt sind. Körper, Emotionen, Seele und Verstand sind ruhig,
die meisten Menschen bezeichnen diesen Zustand als "schläfrig". Ungeübte Meditierende schlafen in diesem Zustand
in der Tat ein, weil sie ihr Bewußtsein nicht mehr wachhalten können. Wer die Erfahrung der Tiefenmeditation
nicht kennt, erfährt den Theta-Zustand vielleicht kurz vor dem Einschlafen, wenn aus unbekannten und
unbewußten Quellen überraschende Bilder auftauchen, die im Gegensatz zum Tagtraum nicht über das Bewußtsein
zu steuern sind. Der Theta-Zustand ist die Öffnung zum Unbewußten und gleichzeitig die Tür zur Kreativität.
Wo die Delta-Gehirnwellen (0,5 bis 3 Hertz) signifikant auftreten, wird im allgemeinen angenommen,
daß der Mensch schläft oder wortwörtlich "bewußt-los" ist, was aber hier nicht identisch mit einer
Ohnmacht ist. Delta-Wellen werden in der Hauptsache im Schlaf gemessen. In den letzten Jahrzehnten
hat sich auch eine benachbarte Disziplin der Gehirnforschung stürmisch entwickelt, die sich unter
anderem mit der Entstehung von Hormonen und den sogenannten Neuropeptiden beschäftigt. Beide entstehen
in außerordentlich geringen Mengen im Gehirn und übernehmen, durch die Blutbahnen verteilt, vielfältige
steuernde Funktionen im Körper. Das reicht vom Abstellen von Schmerzempfindung durch die sogenannten
körpereigenen Opiate bis zur Auslösung des natürlichen Extasezustandes, des Orgasmusgefühls.
Die Befehle, die diese Stoffe "übertragen", sind ein wesentlicher Teil des Stoffwechsel-Managements
im Körper und spielen deshalb eine überaus wichtige Rolle, auch für die körpereigene Abwehr, das
Immunsystem. Die Selbstheilung des Körpers hängt so entscheidend ab vom Gehirn, mit seinen 100
bis 100 Milliarden Neuronen und 100 Billionen von Schaltstellen und Synapsen das komplizierteste Organ
im gesamten Reich der Lebewesen.
Bei der Entstehung der Hormone und anderer "Botenstoffe" ablaufende biochemische Prozesse im
Gehirn sind aber weder von der Aktivierung der Region, wo sie entstehen, noch von den
Veränderungen der Gehirnwellentätigkeit in diesen Regionen zu trennen. Anders ausgedrückt: Durch die
willentliche Veränderung der Gehirnwellen ist die Aktivierung der körpereigenen Apotheke möglich,
die auch das Verlangen des Körpers nach Drogen mindert und das Suchtverhalten verändern kann. Leroy
Parker und die anderen Suchtkranken lernen, daß sie über die Kontrolle ihrer Gehirnwellen Entspannung,
Freude, Frieden in sich selbst finden können, ohne Alkohol und Kokain. Über den Kopfhörer empfangen
sie ein sogenanntes "Feedback", eine Rückmeldung - in diesem Fall einen hellen Brummton, wenn sie bei
der Meditation in den Alpha-Zustand gehen, einen tieferen Ton, wenn sie den noch tieferen Theta-Zustand
erreichen. Je kontinuierlicher die beiden Töne erklingen, desto dauerhafter haben sie die gewünschten
Bewußtseinszustände erreicht.
Nach dem siebenwöchigen, beinahe täglichem Training sollten sie die Apparate nicht mehr brauchen, sie
werden gelernt haben, auch ohne maschinelles Feedback die verschiedenen Zustände ihres Bewußtseins,
ihres Selbst, willentlich aufzusuchen und zu steuern. Sie haben dann eine bessere Chance denn je,
in Zukunft ihr Leben ohne Drogen und Kriminalität zu meistern: Hatten die suchtkranken Strafgefangenen
anfangs praktisch ausschließlich Beta-Wellen produziert, waren die Wissenschafter mit wenigen Wochen
des Alpha/Theta-Gehirnwellen-Trainings in der Lage, ihnen beizubringen, willentlich Alpha- und Theta-
Bewußtseinszustände zu erreichen.
Dabei hatte sich wortwörtlich etwas im Kopf ihrer Klienten verändert. Das ergaben die ersten Studien
aus den Jahren 1994 bis 1996: Erstaunlich wenige wurden mit Drogen rückfällig, und auch
Einstellung und Verhalten ihren Familien und der Gesellschaft gegenüber hatten sich verbessert.
Obwohl die staatlichen Behörden strenge Maßstäbe an den Erfolg stellten. Als erfolgreich therapiert
galten nur diejenigen Personen, die "clean" blieben - dies wurde durch Urin- und Blutproben regelmäßig
untersucht - und sich zusätzlich in keiner Weise etwas zuschulden kommen ließen. Kündigungen im Job
oder Strafmandate wegen zu schnellen Autofahrens während der Bewährung wurden bereits als Vergehen
eingestuft, was in die Statistik des Resozialisierungs-Programms als Scheitern einging.
Die 68prozentige Erfolgsquote des neuen Programms war eine Sensation. Es zeigte sich, daß die kombinierte
Drogentherapie mit Gehirnwelleln-Training dreimal so erfolgreich war wie die konventionelle Therapie allein,
die eine aus 80 Gefangenen bestehende Kontrollgruppe durchlief. Das gezielte Alpha/Theta-Gehirnwellen-Training
ist aber beileibe nicht nur für Alkoholabhängige und Drogenkranke - auch hierzulande - eine Chance für
ein "zweites Leben". Wer gesund ist, kann über den Alpha- und Thetazustand einen schnelleren Zugang zu
seinem eigenen kreativen Potential finden. Oder Millionen deutscher Schmerzpatienten, vor allem mit
chronischen Beschwerden - eine der typischen Krankheitsformen unserer Zeit - haben die Möglichkeit,
über das Gehirnwelleln-Training mit Feedback ihre Schmerzen "in den Griff" zu bekommen oder gar ganz
abzustellen. Denn wer gelernt hat, über den Bewußtseinszustand seine Gehirnwellen und damit die
Gehirnchemie zu kontrollieren, kann das Schmerzempfinden im eigenen Körper "steuern".
Dr. Patricia Norris war bereits an der renommierten Menninger-Klinik mit dabei, als ihr Vater Elmer Green
die ersten bahnbrechenden Untersuchungen dazu mit dem prominenten amerikanischem Heiler Jack Schwartz
durchführte. Wie viele Heiler verfügte auch der über eine Reihe von Möglichkeiten, "außergewöhnliche Kräfte
und Fähigkeiten" einem staunendem Publikum zu demonstieren. Eine seiner Vorführungen, mehrfach auch vor
Ärzten und Wissenschaftlern, bestand darin, mit einer 15 Zentimeter langen Nadel durch den Bizeps seines
Oberarmes zu stechen (Foto im Artikel). Als er gerade im Labor verkabelt worden war, damit - neben
anderen Parametern - seine Gehirnwellentätigkeit dabei gemessen würde, fiel eine der Nadeln versehentlich
auf den Boden. Auf die Frage der Wissenschaftler, ob die Nadel jetzt sterilisiert werden solle,
antwortete Jack Schwartz zu ihrer Verblüffung: "Nein, nein, ich sterilisiere meine Nadeln oft, indem
ich sie einfach unter meinen Schuhsohlen ein paarmal hin- und herrolle...". Während dieser Unterhaltung
und der gesamten Vorbereitungszeit produzierte er Beta-Gehirnwellen, so wie man es von jedem Menschen in
dieser Situation erwarten würde. In dem Moment aber, als er die Nadelspitze an seinem Bizeps ansetzte,
wurde im Gehirnwellendiagramm das Einsetzen von Alpha-Wellen sichtbar. Als die Nadel den Oberarmb durchstochen
hatte, bestanden 60 (!) Prozent der gesamten Hirnwellentätigkeit aus Alpha.
Für die beteiligten Wissenschaftler machte es sofort Sinn, zur Kontrolle und Steuerung von Schmerz in den
Alpha-Zustand zu gehen, weg von Schmerz und Verletzung, nach innen in einen meditativen Bewußtseinszustand.
Ein späterer Vergleich mit einem peruanischen Heiler zeigte, daß dieser sich exakt derselben Methode bediente.
Wenn Ramon Torres sich zu Demonstrationszwecken eine Fahrradspeiche durch die Wange stieß, traten fast
ausschließlich Alpha-Gehirnwellen auf. Beta-Wellen erschienen erst wieder in relevanten Mengen, nachdem er die
Speiche ganz herausgezogen hatte. So war es bei Jack Schwartz, so wurde es bei indischen Yoga-Meistern in anderen
Labors gemessen, die nicht aus dem Alpha-Zustand während einer Meditation herausgingen, auch dann nicht,
wenn glühendheiße Gegenstände auf ihren Körper gelegt wurden. Die "heiligen Männer" aus Indien waren so weit
von dieser Welt entrückt, daß sie die Hitze gar nicht wahrgenommen hatten. Jack Schwartz ging aber noch weiter:
Er war in der Lage zu steuern, ob die Wunde an seinem Oberarm bluten sollte oder nicht. (Hier möchte ich
anmerken, daß das auch möglich ist, wenn Patienten unter Operationen suggeriert wird, daß sie nun den
Blutfluß stoppen mögen.) Und vor allem:
Er konnte seine Verletzungen zur Überraschung der Ärzte, die die Experimente begleiteten, innerhalb von
72 Stunden komplett zuheilen lassen, ohne daß je eine Narbe zurückblieb. Trotz seiner eigenwilligen
"Desinfektionsmethode" per Schuhsohle haben sich seine Stichwunden auch nie entzündet.
Die Kontrolle von Schmerzen ist über die Kontrolle des Bewußtseins möglich. Bei Krankheiten haben Schmerzen
natürlich eine nützliche Funktion als Signal des Körpers, der mitteilt, daß etwas nicht in Ordnung ist.
"Wenn der Alarmruf des Körpers", so Jack Schwartz, "bei Krankheiten oder Verletzungen in Form von Schmerzen
Bescheid gesagt hat, dann ist das für mich wie ein Wecker, den ich abstellen kann. Zuerst müssen die
Schmerzen abgestellt werden, denn solange sie da sind, kann man keinen klaren Gedanken fassen, was zu tun
ist, um gesund zu werden." Indische Yogis, die noch nie etwas von Gehirnwellen oder Alpha- und Theta-
Zuständen gehört hatten, demonstrierten wieder und wieder ihre Fähigkeit, in genau diese Zustände hineinzugehen,
wenn sie außerordentliche Leistungen körperlicher Selbstkontrolle zeigten.
Ob Yogis, Schamanen oder Heiler - ihre diesbezüglichen Praktiken wurden in der Regel über Jahrhunderte
hinweg nach und nach entwickelt, um eben in andere Bewußtseinszustände zu kommen, die ihnen eine Palette
von Möglichkeiten eröffnen. Das geht von Körperbeherrschung, die Wissenschaftlern und Medizinern
ausgeschlossen erscheint, bis zu Trancezuständen, in denen sie Heilungen vollbringen. Indische Yogis haben
häufig für westliche Forscher völlig fremdartige Beschreibungen für die Zustände, die sie mit Hilfe ihrer aus
dem Sanskrit überlieferten Yogaübungen erreichen. Eine der Testpersonen, Swami Rama, beschrieb es als
"im Inneren ein großes Objekt visualisieren, einen blauen Himmel mit kleinen weißen Wolken, die gelegentlich
vorbeitreiben" - und produzierte fünfzehn Minuten lang überwiegend Alphawellen während dieser Meditation.
Als die Wissenschaftler mit ihren Meßgeräten bei einer anderen Meditationsform überwiegend Theta-Gehirnwellen
feststellten, lautete die Sanskrit-Erklärung des Yogis: "Das Bewußtsein zum Schweigen und das Unbewußte
nach vorn bringen." Damit konnten die westlichen Forscher viel mehr anfangen, weil sie bereits aus anderen
Untersuchungen wußten, daß im Theta-Zustand die Tür zum Unbewußten offensteht.
In Indien fanden sie auch, unterwegs auf Vortragsreisen mit dem transportablen Biofeedbackgerät, einen Physiker,
der sie nach ihrem Vortrag an einer Universität ansprach und meinte, er habe ihre Schilderung über Selbstkontrolle
und Bewußtseinszustände verstanden und sei interessiert daran, sich als Testperson zur Verfügung zu stellen.
Zur Überraschung der Forscher stellte sich bei der Messung seiner Gehirnwellen heraus, daß er in der Lage war,
willentlich von einer Minute auf die andere vom Beta- in den Alpha-Zustand zu gehen, dann in den Theta-Zustand
und wieder zurück in Alpha. Was immer sie ihm vorschlugen - nachdem er einmal verstanden hatte, welcher
Bewußtseinszustand mit Alpha und Theta gemeint war, konnte er beliebig zwischen ihnen hin- und herwechseln,
Alpha- oder Theta- oder Betawellen produzieren.
Als Erklärung führte der Mann an, er habe in seiner Jugend einen Guru kennengelernt, der ihn in die Kunst
des Meditierens eingeführt und ihn gelehrt habe, "nach innen zu gehen, in den Ort der Stille, wo der Geist
zuhause ist und wo die Fragen beantwortet werden können". Seitdem habe er sein Leben lang verschiedene
Meditationen täglich praktiziert, und gerade der Zustand, der mit Theta bezeichnet werde, sei ihm besonders
wichtig. In diesem Zustand, in dem er Zugang zum Unbewußtem habe, sei er in der Lage, auch die kompliziertesten
mathematischen Probleme zu lösen. Für seine Dissertation in Physik habe er die Bildersprache
dieses Bewußtseinszustandes systematisch für Problemlösungen angewandt. Auch heutzutage in seinem Beruf,
wenn er schwierige Fragen beantworten müsse, begebe er sich in genau diesen Zustand und fände die Antworten
durch Analyse der auftauchenden Bilder. Die Testperson, so stellte sich heraus, war Dr. Rama Sharma, Leiter
des Biophysikalischen Instituts an der Universität Chandigarh.
Interessanterweise liegen ähnliche Schilderungen von einer Art "Bildersprache in außergewöhnlichen
Bewußtseinzuständen" aus der wissenschaftlichen Literatur vor. Berühmt ist der Fall des deutschen
Chemikers August Kekulé, des Begründers der organischen Chemie. Er war gerade als Professor an
die Universität Bonn berufen worden, als er an dem Problem der chemischen Formel des Benzols arbeitete,
tagelang, nächtelang. Er war nicht in der Lage, eine Formel zu Papier zu bringen, die alle Kriterien
erfüllte, die er aufgrund seiner Untersuchungen ermittelt hatte. Die zündende Idee, die ihn weltberühmt
machen sollte - daß beim Benzol die sechs Kohlenstoffatome mit je einem Wasserstoffatom verbunden sind
und einen Ring bilden -, kam ihm als Vision in einem ungewöhnlichen Zsutand des "Wachtraums": "Ich drehte
meinen Stuhl zum Feuer hin und schloß die Augen. Wieder fingen die Atome an, vor meinen Augen zu tanzen.
Diesmal blieben die kleineren Gruppen bescheiden im Hintergrund. Mein geistiges Auge, bereits geschärft
durch wiederholte Visionen dieser Art, konnte jetzt größere Strukturen unterscheiden, in verschiedener
Anordnung; in langen Reihen, manchmal näher zueinander, alle sich drehend in einer Art Schlangenbewegung.
Aber siehe da! Was war das? Eine der Schlangen hatte den eigenen Schwanz erfaßt, und dieser Ring tanzte
immer wieder spielerisch vor meinen Augen. In dem Moment kam ich aus meinem Traumzustand heraus, wie von
einem Blitz getroffen." Er setzte sich an seinen Schreibtisch und schrieb die bahnbrechende Formel
des Benzolrings auf. Wissenschaftlerkollegen gab Kekulé mit auf den Weg: "Lassen Sie uns lernen zu träumen,
meine Herren...".
Auch bei den Heilern, das ergab eine Untersuchungsreihe an der Menninger-Klinik, wurde während der
Behandlung von Patienten ein hoher Anteil von Theta-Wellen gemessen. Daneben fanden die Wissenschaftler
bei den 14 untersuchten eine überraschende Gemeinsamkeit, die sie ausschließlich bei Heilern feststellten:
Beim Handauflegen wurde bei sämtlichen ein außergewöhnlich hoher Anteil von Delta-Gehirnwellen festgestellt.
Bei keiner Person aus der Kontrollgruppe wurde dieses "Heiler-Phänomen" jemals im EEG gesehen. Im EEG
eines gesunden Erwachsenen treten Delta-Wellen in relevanten Mengen praktisch nur im Schlaf auf.
Die Heiler waren aber bei der Arbeit mit Patienten völlig wach und konzentriert, obwohl sie aufgrund des
Delta-Wellen-Anteils eigentlich schlafen müßten. Aus dieser überraschenden Tatsache schließt Dr. Steven Fahrion,
der nach Jahren an der Menninger-Klinik heute zusammen mit seiner Frau Patricia das "Life Sciences Institute"
leitet, daß "Heiler im Wachzustand mehr als andere Personen in Kontakt mit ihrem tiefsten Unterbewußten sind,
mit dem Teil ihrer Natur, von dem der Normalbürger wenig bis gar nichts weiß und womit er, wenn überhaupt,
nur im Schlaf und Traum in Berührung kommt". Dr. Fahrion war auch einer der ersten, die den Verlauf
der Gehirnwellen-Veränderung während der Behandlung gleichzeitig bei einem Heiler und seinem Patienten
analysierte. Das Ergebnis: Zuerst traten vermehrt Alpha- und Delta-Wellen beim Heiler auf, dann
beim Patienten, so als ob er das Gehirnwellenmuster des Heilers übernommen hätte. Beide waren buchstäblich
"auf derselben Wellenlänge". Japanische Wissenschaftlicher bestätigten vor kurzem dieses Ergebnis und
konnten zeigen, daß nicht nur eine Synchronisation der Gehirnwellen Heiler/Patient eintritt, sondern
darüber hinaus im Verlauf der Behandlung bei beiden auch dieselben Gehirnregionen aktiviert werden. Die beiden
Gehirne hatten sich einander angeglichen, wobei der Heiler jeweils sowohl die Veränderungen der Gehirnwellen
als auch die dazugehörigen Gehirnregionen quasi vorgegeben hatte.
In diesem Zusammenhang ist es interessant, daß die meisten Heiler betonen, während einer Behandlung nicht
nur zu "spüren", was dem Patienten fehlt, sondern auch genau zu "wissen", wie er sich jeweils fühlt.
Der Gedanke drängt sich auf, daß die Veränderung bzw. die spezielle Zusammensetzung der Gehirnwellen
eine Schlüsselrolle beim Heilen haben. Die Forschungsergebnisse der vielen Spezialisten, die aus
verschiedenen Motiven heraus die Bedeutung der Gehirnwellen, deren Zusammensetzung und die jeweiligen
Gehirnregionen untersuchten, ergeben zusammengefaßt schon heute: Heiler zeigen ein spezielles Muster der
Gehirnwellen, wenn sie heilen. Dieses Muster zeigen andere Personen auch dann nicht, wenn sie meditieren.
Der Heiler ist anscheinend in der Lage, bei seinen Patienten dasselbe Gehirnwellenmuster in denselben
Gehirnregionen entstehen zu lassen. Für die Patienten hat das unter anderem zur Folge, daß sie sich
"schläfrig" fühlen und tatsächlich oft bei einer Behandlung für einige Minuten einschlafen. Die Gehirnwellen
spielen also beim Heilen eine wichtige, vielleicht entscheidende, bestimmt aber objektiv meßbare Rolle.
Machen wir uns an dieser Stelle noch einmal bewußt, daß Gehirnaktivität und Biochemie des Gehirns
zusammenhängen und durch die Ausschüttung von Hormonen, Neuropeptiden und anderen Botenstoffen beim
Heilungsprozeß des Körpers eine eminent wichtige Rolle spielen. So können wir am Ende der neunziger Jahre
unseres Jahrhunderts gerade erst erahnen, welch eine Schatzkiste für die willentliche Aktivierung unserer
"körpereigenen Apotheke" uns mit dem Alpha/Theta-Gehirnwellentraining, dieser Variante des Biofeedbacks,
zur Verfügung steht. Wie Elmer Green, der Begründer der Methode, es selbst formulierte: "Biofeedback ist
das "Yoga des Westens"."
Homepage Dr. Imre Kerner, Buchautor und Leiter der ISSTE,
Imre Kerner Int. School of Therapeutic Touch and Energy
Teil 2 "Der galaktische Sieg von Blue Leader"
Wie kann ein Yogi im Himalaya seine Körpertemperatur so kontrollieren, daß er, nur mit einer leichten
Baumwollhose bekleidet, den Winter im Gebirge überlegt? Was verändert sich - physikalisch meßbar -
in unserem Körper, wenn wir einen tiefen meditativen Zustand erreichen? Es waren solche "yogisch-wissenschaftlichen"
Fragestellungen, die für Dr. Elmer Green und seine Mitarbeiter an der weltberühmten Menninger-Klinik am Anfang
der Entwicklung der modernen Biofeedback-Methode standen.
Mit Biofeedback schaffen es heutzutage Patienten in Hunderten von US-amerikanischen Arztpraxen und Krankenhäusern,
Migräne, Inkontinenz und Streß zu besiegen, chronische Schmerzen zu mildern oder ganz "in den Griff zu bekommen", im
fall von Herzkrankheiten den Blutdruck durch willentliche Körperkontrolle selbst zu senken, sich aus Sucht
und Abhängigkeit von der etablierten Droge Alkohol bis hin zu Kokain und Crack zu befreien oder gar den Kampf
mit bösartigen Tumoren aufzunehmen. "Das ist doch eine imponierende Reihe auch von schweren Krankheiten,
bei denen Biofeedback erfolgreich zum Einsatz kommt. Vor allem angesichts der Tatsache, daß es sich
um eine von jedermann relativ leicht und relativ schnell erlernbare Methode handelt." Dr. Patricia Norris,
Dipl.-Psych. und Tochter Elmer Greens, die zusammen mit ihrem Mann Dr. Steven Fahrion das Lebenswerk ihres
Vaters fortführt, kann mit gesundem Selbstbewußtsein bilanzieren. Ihr eigenes Institut mußte in den letzten
Monaten dank staatlicher Forschungsaufträge, dramatisch expandieren, und die von ihrem Vater aus dem in Deutschland
erfundenen "Autogenem Training" entwickelte Biofeedback-Methode ist durch eine Vielzahl von Studien fest in
den Wissenschaften von Medizin und Psychologie, besonders in den USA, verankert.
Die Grundlage des Biofeedback ist, unter Einsatz von technischen Hilfsmitteln verschieden tiefe Meditationen
zu erlernen. Dies macht es u.a. möglich, über das eigene Bewußtsein willentlich Körpervorgänge verschiedenster
Art zu beeinflussen, die sich normalerweise unserer Steuerung entziehen. Als eine erste Aufgabe lernen die
Patienten, willentlich die Temperatur ihrer Hände ansteigen zu lassen. Dabei helfen ihnen Apparate:
an den Händen angebrachte Temperaturfühler, verkabelt mit einem Meßgerät, an dem die Handtemperatur
jederzeit abzulesen ist. Zusätzlich hören die Patienten über Kopfhörer einen Ton, der nur dann entsteht,
wenn die Temperatur ansteigt. Sie sitzen bequem zurückgelehnt und versuchen durch Entspannung "irgendwie"
dafür zu sorgen, daß die Hände sich erwärmen. Physiologisch betrachtet, wird durch die Entspannung der Muskeln
in der Hand mehr Blut fließen, weil die Muskeln die Gefäße weniger einengen. Weil mehr Blut fließen kann,
steigt die Temperatur, am Meßgerät sichtbar und als "Feedback", also "Rückmeldung" über den Ton im
Kopfhörer auch akustisch wahrnehmbar. Wenn der Patient zum ersten Mal den Temperaturanstieg sieht und hört,
wird praktisch unwillkürlich das innere Befinden registriert, das sich durch die Entspannung eingestellt hat.
Es kommt zum ersten Aha-Erlebnis: "So muß ich mich also verhalten, damit die Temperatur meiner Hände in
die Höhe geht." Auf dieser Erkenntnis baut das Bewußtsein auf, ohne sich um die biologisch-körperlichen
Vorgänge kümmern zu müssen. Entspannung und Bewußtseinszustand hängen zusammen; bleibt die Person länger
und intensiver in der Entspannung, verändert sich der Bewußtseinszustand, und dies wiederum verändert die
körperlichen Vorgänge. Bis wieder ein Temperaturanstieg eintritt. Ein weiterer Schritt wurde vollzogen
und das Befinden wieder automatisch registriert. Bei der nächsten Biofeedback-Sitzung ist dieselbe Person
in der Lage, schon viel schneller auf das bereits kennengelernte Bewußtsein/Befinden umzuschalten und so
die Hände in kürzester Zeit zu erwärmen.
Im Fall von Bluthochdruck kann der Patient beim Training seinen Blutdruckwert an einem Apparat ablesen und
über Kopfhörer das Signal hören, wenn der Wert hinuntergeht. Der Lernvorgang ist im Prinzip derselbe wie
bei der Erhöhung der Temperatur der Hände, obwohl es sich um einen völlig anderen psychisch-physiologischen
Vorgang handelt. Nach und nach kann sich der Patient den inneren Zustand "erarbeiten", in dem sein Blutdruck
sinkt, und ist immer besser in der Lage, ihn auch außerhalb des Trainings auf Dauer zu halten.
Auf den ersten Blick könnte man folgern, daß Biofeedback auf Vorgänge im Körper, die aus technischen Gründen
nicht ständig gemessen werden können, nicht anwendbar sei. Wie zum Beispiel, wenn es um die Stärkung
der körpereigenen Abwehr, des Immunsystems geht. Oder sogar willentlich das eigene Immunsystem auf eine spezielle
Aufgabe zu konzentrieren, wie die Zerstörung eines Tumors. Doch wer einmal verschiedenste Formen des
apparativ unterstützten Biofeedback gelernt hat, die Temperatur der Hände und seine Herztätigkeit steuern kann
und Muskeln entspannt, zu denen man normalerweise keinen willentlichen Zugriff findet, hat viel mehr gelernt,
als diese Übungen erfolgreich durchzuführen. Meditative Zustände wurden erlernt, Ebenen des Bewußtseins,
in denen Körperkontrolle viel weiter geht, als wir es normalerweise für möglich halten.
In diesen Bewußtseinszuständen denkt man häufig in Bildern, man sieht die Gedanken als Bilder. Es ist mehr
ein Erleben als eine Visualisierung. Patienten sind in der Lage, mit dem Bewußtsein durch den eigenen Körper
zu "wandern". Es ist sogar möglich, die eigenen inneren Organe zu "besuchen", um ihren Zustand, wenn man dort ist,
einfach zu "wissen". Das Wissen entsteht nicht durch einen gedanklichen Vorgang, es ist nicht bewußt gesteuert,
es handelt sich nicht um die Erstellung eines Inventars. Das Wissen ist vielmehr plötzlich da, als etwas Ganzes.
Viel Training ist dafür nötig, aber jeder kann eher in Wochen als in Monaten diese Möglichkeiten für sich
eröffnen, um Zugang zu seinem eigenen kreativen Potential zu finden oder um sich selbst zu heilen. Im Fall
von Krankheit besteht der wichtigste Unterschied zwischen der modernen Biofeedback-Methode und der heute üblichen
medizinischen Behandlung darin, daß es beim Biofeedback - statt Medikamenten und Arzt - der Kranke selbst ist,
der die Behandlung übernimmt, indem er scheinbar nicht steuerbare körperliche Vorgänge willentlich kontrolliert,
ändert, steuert und sich heilt. Auch jenseits der schulmedizinischen Grenzen. (siehe auch das Buch "Heilen" der
Autoren dieses Artikels, Verlag Kiepenheuer & Witsch 1997) Wie im Fall des neunjährigen Garrett Porter.
Diagnose: bösartiger Hirntumor, nicht operabel.
Als Garrett 9 Jahre alt war, zu Beginn seines vierten Schuljahres, wurde bei ihm durch Computertomographie
ein Tumor in der rechten Gehirnhälfte diagnostiziert. Da eine Operation aufgrund der Lage des Tumors ausgeschlossen
war, blieb die Strahlentherapie die einzige Behandlungsmöglichkeit. Am dritten Tag nach seiner Krebsdiagnose
fragte Garrett seinen Vater, ob "dieses Ding" ihn töten könnte. Und sein Vater antwortete, ja, das sei möglich.
Garrett war fassungslos, er war noch keine 10 Jahre alt und sollte vielleicht bald sterben. Mit der Strahlentherapie
wurde sofort begonnen. Seine Eltern beschlossen, das Leben irgenwie "von Tag zu Tag zu meistern". Wo noch eine Woche
zuvor die Zukunft ihres Sohnes scheinbar so sicher vor ihnen gelegen hatte, gab es plötzlich nur noch ein Nichts.
Jeden Abend, wenn sein Vater heimkam, blieb er vor der Treppe stehen und rief nach Garrett. Wenn er Antwort
bekam, wußte er, daß sein Sohn noch lebte. Wenn Garretts Mutter ihn morgens weckte, war sie jedes Mal
überglücklich, wenn er aufwachte...
Natürlich bekam Garrett ihre Gefühle mit: "Ich wußte, daß meine Eltern mich lieben und keinen größeren
Wunsch hatten, als daß ich wieder gesund würde. Aber ich wollte, daß sie nicht ständig an meine Krankheit
dächten, daß mein Leben nicht die ganze Zeit Tumor, Tumor, Tumor wäre." Seine Eltern, beide im Gesundheitswesen
angestellt, bemerkten rechtzeitig, daß sie alle psychologische Hilfe brauchten und natürlich eine optimale
therapeutische Behandlung für Garrett nach der Strahlentherapie, von der die Krankenhausärzte abschließend
sagten, dies sei ihre "einzige effiziente Waffe gewesen".
Die Porters kannten die Menninger-Klinik und hatten von der dort entwickelten Biofeedback-Methode gehört.
Während sie selbst eine Gesprächstherapie machten, kam Garrett zum Biofeedback zu Dr. Patricia Norris.
Sie hatte damit zwar schon große Erfolge bei Migräne, Streßminderung und Herzkrankheiten erzielt,
aber Garrett war ihr erster Krebspatient und noch dazu ein Kind. Alle bekannten Übungsprogramme waren
auf Erwachsene zugeschnitten; Garrett fand sie langweilig. Er schlug vor, zusammen ein Biofeedback-
Trainingsprogramm für Kinder zu entwickeln. Garrett war ein "Trekkie", ein Fan der Fernsehserie "StarTrek",
mit ihren immer neuen Abenteuern unterwegs in fernen Galaxien des Weltraums. Für seine Visualisierungsübungen
die er während der Therapie einmal pro Woche in der Klinik und jeden Abend vor dem Einschlafen allein zu
machen hatte, erfand er mit seiner Therapeutin ein Weltraumszenario. Garrett selbst war darin "Blue Leader",
der Führer eines Geschwaders von Kampffliegern. Sein Gehirn wurde durch das Sonnensystem symbolisiert,
und sein Tumor war ein ins Sonnensystem eindringender Planetoid, der das gesamte System gefährdete.
Pat Norris fungierte als Bodenstation, im ständigen Dialog mit "Blue Leader". Garrett machte die
hörspielreife Kassette für die Übungen selbst, mit Geräuschen, Dialogen und einem Text, der so begann:
"Jetzt gleich erfahren Sie von einer Methode, die benutzt wird, damit Kinder Tumore und Krebserkrankungen
bekämpfen...".
Durch die gesteuerten Visualisierungen, die auf dem Biofeedback-Training aufbauten, wurde immer wieder
auch eine Brücke geschlagen zu Bildern, die manchmal mit beängstigender Kraft aus tieferen Schichten
seiner Persönlichkeit auftauchten, ungesteuert und für ihn selbst überraschend: "Achtung Bodenstation!
Meine Mission war eigentlich gerade beendet, aber jetzt hat der Computer ein Raumschiff identifiziert,
das mit vielen verschiedenen Leuten vom feindlichen Planetoiden besetzt ist. Das Schiff ist in der Lage,
einen neuen Planetoiden aufzubauen. Computer, Computer, was soll ich tun? ... Der Computer schlägt "zerstören"
vor, Bodenstation, was ist Ihr Vorschlag?" Bodenstation (Dr. Norris): "Ich habe mitgehört. Vielleicht sollten
Sie dem Vorschlag des Computers folgen?" Garrett: "Ich bin schon dabei. Lenkwaffen! Feuer! ... Getroffen,
Volltreffer! ... Keine Überlebenden, das Raumschiff ist vollständig zerstört!" Bodenstation: "Blue Leader,
checken Sie unbedingt Ihr Immunsystem, die weißen Blutkörperchen!" Garrett: "Check eingeleitet, Vollscannung
aktiviert. Viele wurden von den Feinden abgeschossen. Macht nichts, Bodenstation. Habe sofort Programm zur
Neubildung weißer Blutkörperchen gestartet!"
Solche "Volltreffer" wie diesen, der die tiefsitzende Angst vor Metastasen des Tumors vielleicht nicht nur
symbolisch besiegte, hatte Garrett nicht immer. Der feindliche Planetoid und seine Raumschiffe verfügten
über die Fähigkeit zur Tarnung, und Blue Leader verfehlte auch manches Mal sein Ziel. Garrett hatte mit Hilfe
des Biofeedback extrem schnell gelernt, verschiedenste Körperfunktionen zu kontrollieren. Er wurde ein Meister
darin, seine Hände um mehrere Grad zu erwärmen oder seine Muskeln fast vollständig zu entspannen.
Seine Eltern schafften das nicht. Er konnte seinen Körper besser steuern als sie, mit seinem Bewußtsein:
"Erwachsene haben immer die Vorstellung, daß sowas vielleicht nicht geht. Ich bin aber ein Kind. Und ich
verstehe jeden Tag besser, daß ich mit meinem Kopf die Vorgänge in meinem Körper steuern kann. Das finde ich
richtig cool, endlich gibt es etwas, das ich besser kann als die Erwachsenen."
Es gab gute Tage und schlechte Tage. Sein Selbstbewußtsein wuchs. Trotzdem ging es ihm in den ersten Monaten
nach der Strahlentherapie körperlich schrittweise schlechter. Der "feindliche Planetoid" in Garretts rechter
Hirnhälfte zeigte Auswirkungen, die die gesamte linkseitige Koordination seines Körpers betrafen: Nach dem
linken Arm konnte er sein linkes Bein nicht mehr richtig bewegen. Er bekam eine Schiene zum Laufen. Aber wenn er
einmal hinfiel, war er nicht mehr in der Lage, allein aufzustehen. Zu diesem Zeitpunkt sagten die Ärzte den
Eltern, er hätte nur noch ein Jahr zu leben.
Garrett ging weiter zur Schule, obwohl er unter Sehstörungen litt. Schlimmer aber war es, die Ängste seiner
Lehrerin zu spüren, die sich davor fürchtete, ein womöglich todkrankes Kind in ihrer Klasse zu haben.
Da war sie dann wieder, die Frage nach Leben und Tod. Garrett: "Das war für mich die wichtigste Frage überhaupt.
Ich mußte mich entscheiden, ob ich mich all den Schmerzen, der ganzen Quälerei, weiter aussetzen sollte oder
ob ich den Kampf aufgeben wollte. Ich mußte all meine Kräfte in diesen Kampf geben, eine Art Krieg gegen den
Hirntumor. Und als mir das richtig klar wurde, entschied ich mich, alles einzusetzen, mein Immunsystem,
die weißen Blutzellen und meinen Mut. Nie war ich ein Feigling gewesen. Ich entschied mich zu leben.
Der ganze Kampf spielte sich im Inneren meines Gehirns ab, und es war jetzt meine Sache, den Tumor zu besiegen.
Garrett gründete mit Unterstützung seiner Ärzte eine Telefon-Hotline für alle schwerkranken Kinder Topekas,
um zu reden, um sich untereinander zu treffen. Er half sich auch selbst, indem er Hilfe für andere Kinder
organisierte. Im Verlauf seiner Biofeedback-Therapie entwickelte Garrett für seine Visualisierungen ein neues,
biologisches Szenario, das die "geistigen Reisen durch den Weltraum" nach und nach ablöste. Nun ging er
auf Erkundungsfahrten durch sein Gehirn. Er war ein kleines Lebewesen, das sich durch Kanäle und Hirnkammern
bis zum Tumor vorarbeitete. Der sah aus "wie ein Klumpen rohes Hackfleisch". Mit seiner "sinnlosen Struktur"
kam ihm der Tumor "dumm vor, unorganisiert und nicht mal besonders mächtig". Hunderte, Millionen von
seinen Immunzellen waren vor Ort, um ihn anzugreifen, ihn zu zerlegen, ihn aufzuessen. Sie trugen Radarantennen,
die jeden Feind aufspüren konnten. Die weißen Blutkörperchen waren allwissend, organisiert, und ihre Suchmannschaften
bildeten Patrouillen, die pausenlos im Einsatz waren. Mehrmals täglich und immer am Abend vor dem Einschlafen
machte er diese inneren Reisen. Sogar anderen Kindern von der Hotline konnte er seine Entspannungsübungen
und Visualisierungen beibringen. Seiner Mutter kam er schon wie ein professioneller Therapeut vor.
Und dann, etwa gegen Ende des Schuljahres, kam zuerst langsam, dann immer schneller eine Wende. Alle bemerkten
zunächst nur, daß er insgesamt gesünder wirkte. Er selbst fühlte sich kräftiger. Er konnte wieder aufstehen,
wenn er hingefallen war. Der Arm wurde beweglicher, mit dem linken Bein konnte er wieder kleine Schritte machen.
Es war ein großer Tag für Garrett, als die Ärzte entschieden, daß seine Schiene, die er jetzt bald ein Jahr
getragen hatte, überflüssig war. Zusammen mit seinem besten Freund zerschlug er sie in Einzelteile.
Garrett: "Und etwas später passierte es dann. Ich lag im Bett und machte wie jeden Abend meine Tiefenentspannung
und die Visualisierungsübungen und hatte Spaß damit. Da traf es mich fast wie ein Schlag: Ich konnte meinen
Tumor nicht finden. Ich hatte dieses ganze Programm jetzt ein Jahr lang gemacht, und nun fand ich ihn nicht.
Also fing ich nochmal von vorne an, aber ich konnte ihn wieder nicht finden. Da dämmerte es mir: Ich sah den
Tumor nicht, weil er gar nicht mehr da war! Es gab da nichts mehr, nur einen ganz kleinen weißen Fleck. Aufgeregt
rief ich meinen Vater, er glaubte mir nicht. Meine Eltern meinten, ich hätte mich nicht genug konzentriert.
Also machte ich wieder alle Übungen von vorn - der Tumor war nicht da.
Am nächsten Tag war ich sofort bei meiner Biofeedback-Therapeutin in der Klinik. Wir sind zusammen auf die
innere Reise durch mein gesamtes Gehirn gegangen, Abschnitt für Abschnitt, der Tumor blieb unauffindbar.
Da haben wir alle weißen Blutzellen zu einer Party eingeladen und gesungen und Regenbögen tanzen lassen.
Ein großer Kampf war gewonnen, die Guten haben die Dunklen besiegt. Ich weiß noch genau, wie eine Woche zuvor
eine entscheidende Schlacht stattgefunden hatte, ein Überraschungsangriff sämtlicher Zellen meines Immunsystems
auf den Tumor, ein großer Kampf, aus dem ich als Sieger hervorging!"
Seine Therapeutin beobachtete diese Entwicklung mit gemischten Gefühlen. Schließlich war Garrett ein Kind,
vielleicht hatte er keine Lust mehr zu seiner Therapie, vielleicht war das Verschwinden seines Tumors
reines Wunschdenken. Aufklärung konnte nur eine zusätzliche Computertomographie bringen, doch das war
medizinisch nicht vertretbar wegen des damit verbundenen Stresses für Garrett. So beschloß sie zusammen mit
ihm, alle Übungen beizubehalen, mit einer Änderung: Die Zellen des Immunsystems würden weitersuchen und arbeiten,
aber als allgemeiner Suchtrupp, gegen Viren, Bakterien und überhaupt alle Eindringlinge.
Einige Wochen später gab es einen "mysteriösen Unfall". Garrett fiel morgens die Treppe hinunter und blieb
einen Moment bewußtlos am Boden liegen. Sein Kinderarzt empfahl eine Computertomographie, falls Garrett sich
in den kommenden Stunden übergeben würde oder Schwindelgefühle einsetzten. Anzeichen für mögliche
Schädelverletzungen durch den Sturz. Garrett kam mittags aus der Schule und mußte sich übergeben...
Nach der Computertomographie sollte Garrett noch einige Minuten mit seiner Mutter im Krankenhaus warten.
Als der Arzt sagte, er habe etwas Wichtiges mitzuteilen, bat Garretts Mutter ihn, damit zu warten. Sie hatte
mit ihrem Mann vereinbart, alle wichtigen Informationen zu Garretts Krankheit gemeinsam zu erfahren.
Garretts Vater kam per Taxi ins Krankenhaus. Der Arzt teilte ihnen mit, daß Garrett keine Schädelverletzungen
habe - und daß der Tumor verschwunden sei. Alles, was er noch auf den Aufnahmen sehen könne, sei ein erbsengroßes,
kalkiges Fragment an der Stelle, wo der Tumor gewesen war!
Als Garrett und seine Mutter gemeinsam zur nächsten Therapiesitzung in die Menninger-Klinik kamen, sagte
seine Mutter in ihrem Überschwang von Glück, dieses Wunder habe allein Garrett mit dem Biofeedback und
seinen Visualisierungen bewirkt. Doch Garrett unterbrach sie: "Das stimmt nicht. Die Strahlentherapie am
Anfang hat mir sehr wohl geholfen. Sie hat den Tumor aufgeweicht. Nur so war es möglich, daß ich ihn mit meinem
Immunsystem dann endgültig vernichten konnte." Garrett macht gegenwärtig immer noch seine Biofeedback-Übungen,
sie wurden Teil seines Lebens. Er ist heute 26 Jahre alt und von Beruf Pilot.
Homepage Dr. Imre Kerner, Buchautor und Leiter der ISSTE,
Imre Kerner Int. School of Therapeutic Touch and Energy
IMPRESSUM
DATENSCHUTZERKLÄRUNG